Jutta ist geschockt. Wütend hat ihr Vater das Telefonat beendet und einfach aufgelegt. Dabei meint sie es doch gut und will helfen. Inge*, seine Lebensgefährtin, hatte Jutta aufgelöst angerufen, weil sie sich durch die zunehmende Pflegebedürftigkeit ihres Partners ausgelaugt und überfordert fühlt. Inge hat Jutta aufgefordert, doch mal mit ihrem Vater ein ernstes Wort zu reden, damit dieser die Unterstützung durch einen Pflegedienst zustimmt. „Wieso? Das ist doch kein Problem, Inge schafft das schon.“, ist seine erste Reaktion. Je mehr Argumente Jutta auffährt, desto verärgerter reagiert ihr Vater und lehnt sämtliche Vorschläge und Argumente bis zum Gesprächsabbruch entschieden ab.
Im Seminar nutzt Jutta die Gelegenheit, ihre Kommunikation mit dem Vater in einer Übung zu reflektieren. Schnell wird mir klar, dass Jutta, Inge und der Vater in einem Drama-Dreieck verstrickt sind, das zunächst aufgelöst werden muss, damit sich die Beziehung wieder entspannen kann.
Das Drama-Dreieck in der Pflege: Rollen, Dynamiken und Lösungen
Das Drama-Dreieck beschreibt ungesunde Interaktionen, die oft in Konfliktsituationen auftreten. Menschen nehmen in solchen Situationen drei typische Rollen ein.
1. Verfolger*in (oder Täter*in):
Diese Rolle kritisiert, beschuldigt und kontrolliert die anderen. Verfolger*innen suchen nach Fehlern bei anderen, um die eigene Position zu stärken. Er/Sie stellt sich als überlegen und
mächtig dar.
2. Opfer:
Das Opfer fühlt sich hilf- und machtlos, unterdrückt und missverstanden. Es denkt ungerecht behandelt zu werden. In der Rolle übernehmen Menschen kaum Verantwortung für die eigene Situation und erwarten, dass andere ihre Probleme lösen.
3. Retter*in:
Der/Die Retter*in fühlt sich verpflichtet, anderen zu helfen, auch ungefragt. Diese Rolle übernimmt Verantwortung für die Probleme des Opfers und versucht, Lösungen anzubieten oder das Opfer zu beschützen, auch auf Kosten der eigenen Bedürfnisse.
Die Folgen des Drama-Dreiecks
Das Drama-Dreieck führt oft zu ungesunden Kommunikationsmustern. Die Beteiligten sind einer Spirale von Schuldzuweisungen und Abhängigkeiten gefangen. Dadurch wird die Verantwortung verschoben und nachhaltige Lösungen verhindert. Konflikte werden so verstärkt, anstatt gelöst.
Die Dynamik im Drama-Dreieck
Die Dynamik des Drama-Dreiecks besteht darin, dass die Beteiligten häufig zwischen diesen Rollen wechseln. Zum Beispiel kann ein Verfolger zum Opfer werden, wenn er das Gefühl hat, dass seine Bemühungen nicht geschätzt werden. Ein Opfer kann zum Täter werden, wenn die Opferrolle dazu benutzt wird, andere zu Handlungen zu manipulieren. Ein Retter kann zum Verfolger werden, wenn er frustriert ist, dass das Opfer seine Hilfe nicht annimmt. So war es auch bei Jutta, deren Vater sich als Opfer fühlte, während Jutta, von Inge in die Retterinnen Rolle gedrängt, mit ihren gut gemeinten aber auch vehement vorgetragenen Vorschlägen zur Täterin wurde, während Inge, die den Prozess als Opfer angeschoben hatte, plötzlich als Retterin des Vaters gegen die Tochter dastand. In der Pflege von Eltern kann das Drama-Dreieck häufig auftreten, da die emotionalen und physischen Anforderungen hoch sind und die Rollen der Beteiligten oft unklar und wechselhaft sind.
So gelingt der Ausstieg
Um aus dem Drama-Dreieck auszusteigen, ist es wichtig, sich der eigenen Rolle bewusst zu werden und aktiv andere Kommunikations- und Verhaltensmuster zu wählen. Dies war auch bei Jutta der Fall, für die die Erkenntnis ihres Rollenwechsels von der Retterin zur Täterin ein Augenöffner war.
Wirksame Strategien sind:
- Selbstreflexion: Erkennen Sie, welche Rolle Sie häufig einnehmen und warum.
- Verantwortung übernehmen: Anstatt sich als Opfer zu sehen, übernehmen Sie Verantwortung für Ihre eigene Situation und Ihre Handlungen.
- Grenzen setzen: Wenn Sie dazu tendieren, die Retter*in-Rolle zu übernehmen, lernen Sie, Ihre eigenen Grenzen zu erkennen zu respektieren und gegenüber anderen zu vertreten.
- Konstruktiv kommunizieren: Reden Sie offen und ehrlich über Ihre Bedürfnisse und Gefühle, ohne andere zu beschuldigen oder zu kontrollieren.
Das Verlassen des Drama-Dreiecks erfordert Zeit und bewusste Anstrengung. In dem Moment, indem ein*e Beteiligte*r aussteigt, entstehen Irritationen bei den anderen und es kann passieren, dass diese versuchen, das System wieder zu stabilisieren, indem die aussteigende Person zurück in ihre bisherige Rolle gedrängt wird. Dies auszuhalten und standfest zu bleiben lohnt sich, denn es führt zu gesünderen und erfüllenderen Beziehungen.
Nach unserer Übung hat Jutta sich entschieden, dass Gespräch mit dem Vater wieder aufzunehmen und dafür Ihren Teil der Verantwortung zu übernehmen, dass es aus dem Ruder gelaufen ist. Sie hat mit Inge darüber gesprochen, dass sie Inge gerne unterstützt Wege der Entlastung zu finden, und diese gebeten Ihre Überlastung gegenüber dem Vater selbst zu artikulieren. Im weiterführenden Coaching reflektiert Jutta, darüber, welche Triggerpunkte dafür sorgen, dass sie sich so schnell in die Retterinnen Rolle begibt. Sie entwickelt Wege sich daraus zu befreien.
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* Die Namen der erwähnten Personen wurde zur Wahrung der Persönlichkeitsrechte geändert.
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